Erwünschte Lüge
Wir Deutschen blicken gern zweifelnd nach Amerika, aber mit dem Thema Lügen hatten wir diese Woche auch ganz schön zu tun. Im neuen SPIEGEL porträtieren wir einen großen deutschen Lügner. Fußballstar Franz Beckenbauer hat jahrelang so getan, als habe er die Weltmeisterschaft 2006 als Ehrenamtlicher nach Deutschland geholt, aber meine Kollegen enthüllten, dass er sich mit Millionen bezahlen ließ. Auch dieser Lügner ist nicht allein schuld daran, dass hier ein ganzes System - das des deutschen und internationalen Fußballs - ins Wanken geriet. Der Franzl sollte strahlen, unbedingt. Die Deutschen wollten ihn so und übersahen gerne seine weniger angenehmen Seiten.
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DPA |
Franz Beckenbauer |
Die SPIEGEL-Ausgabe, die wir in Bayern vertreiben, enthält ebenfalls die große Analyse über Trump, als Titelgeschichte aber haben wir hier einen anderen Text ausgewählt: eine Rekonstruktion der Abendstunden des 22. Juli in München. Der Amoklauf eines Schülers hielt die Stadt acht Stunden lang in Atem. Hinterher sagte der Oberbürgermeister, die Münchner hätten gezeigt, dass sie sich in ihrem Lebensgefühl nicht so leicht einschüchtern ließen. Stimmt das? Die Hysterie an jenem Abend war beispiellos. Ist der Satz des Münchner Oberbürgermeisters deswegen eine Lüge? Der Bürgermeister wollte anerkennen, dass die Münchner Schlimmstes durchlebt haben und doch solidarisch gewesen sind, diese Anerkennung haben die Münchner mehr als verdient. Dennoch ist die kleine Beschönigung fahrlässig, weil sie den Blick verstellt auf eine wesentliche Erkenntnis. Die Hysterie brach aus, weil die Münchner stundenlang annahmen, der Amoklauf sei ein terroristischer Anschlag. Die Münchner Nacht, mit all den Fehlalarmen und Gerüchten, hat gezeigt, dass der Terror uns längst verändert hat. Und zwar genau in dem von Terroristen gewünschten Sinne.
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DPA |
Absperrband am Tatort am 23.07.2016 in München |
Gewinner des Tages...
sollen heute mal Spitzenpolitiker sein, und zwar parteiübergreifend. Der SPIEGEL ist nicht besonders geübt darin, Politiker zu loben, unsere Aufgabe ist eine andere, Kritik, Kontrolle - sagen, was ist. Aber eben deswegen muss eines gesagt werden, nämlich dass die Einsatzbereitschaft fast aller Spitzenpolitiker unfassbar hoch ist. Meine Kollegen aus dem Berliner Büro haben den Schwächeanfall von Hillary Clinton zum Anlass genommen, die Beschleunigung im Berliner Politikbetrieb zu beschreiben. 16-Stunden-Tage sind für die Kanzlerin normal, sie hat Termine im Viertelstundentakt, nicht viel anders geht es ihren Kabinettskollegen. Und wehe, einer hält das für einen Moment - siehe oben - nicht durch. Jetzt könnte man über die Sucht nach Macht schreiben und dass es nötig sei, Schwäche auch mal zuzugeben, aber heute und hier soll tatsächlich mal gelobt werden. Für das Wahrnehmen von Verantwortung und das schiere Durchhalten.
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AP |
Angela Merkel |
Herzlich,
Ihre Susanne Beyer
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http://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-des-tages-trump-beckenbauer-amoklauf-muenchen-a-1112720.html
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