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"Fit for Partnership with Germany"

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30.08.2016

 

"Fit for Partnership with Germany"
30.08.2016
"Fit for Partnership with Germany"
BERLIN/ASCHGABAT
(Eigener Bericht) - Die Bundesregierung intensiviert die Zusammenarbeit mit Turkmenistan, einem der - laut Menschenrechtsorganisationen - repressivsten Staaten der Welt. Dies ist das Ergebnis von Gesprächen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel am gestrigen Montag mit dem turkmenischen Staatspräsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow führte. Demnach strebt Berlin die Lieferung turkmenischen Erdgases in die EU an, nach Möglichkeit unter Umgehung Russlands; weil eine Pipeline in Richtung Westen durch das Kaspische Meer derzeit aufgrund von Widerständen aus Moskau und Teheran wohl nicht gebaut werden kann, setzt Turkmenistan aktuell auf eine Röhre durch Afghanistan und Pakistan bis zum Indischen Ozean. Die Bundesregierung schlägt gemeinsame deutsch-turkmenische Entwicklungsprojekte in Afghanistan vor. Ergänzend zu den Erdgasvorhaben sollen in Turkmenistan auch neue Geschäftschancen für deutsche Firmen geschaffen werden. Dazu führt die bundeseigene Entwicklungsagentur GIZ seit Jahren Programme zur Fortbildung turkmenischer Manager durch. Die Regierung des Landes weigert sich bis heute, das Schicksal zahlreicher Gefangener aufzuklären, die schon vor Jahren spurlos "verschwanden".
Riesige Erdgasvorräte
Im Mittelpunkt der Verhandlungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel am gestrigen Montag mit dem turkmenischen Staatspräsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow führte, standen die riesigen Erdgasvorräte Turkmenistans. Das Land verfügt über die viertgrößten Erdgasreserven weltweit nach denjenigen Russlands, Irans und Qatars; Erdgas, Erdöl und Erdölprodukte stellen weit mehr als 90 Prozent seiner Exporte. Aktuell ist die turkmenische Regierung dringend an neuen Abnehmern interessiert. Zwar boomen die Lieferungen nach China, doch droht Turkmenistan in eine weitreichende Abhängigkeit von Beijing zu geraten, weil sein traditioneller Kunde Russland zu Jahresbeginn - unter anderem im Streit um den Gaspreis - seine Käufe vollständig eingestellt hat. Der Bundesregierung kommt die turkmenische Notlage durchaus recht. Sie würde gerne turkmenisches Erdgas beziehen, und zwar auf Lieferwegen an Russland vorbei, um die Erdgas-Abhängigkeit von Moskau zu verringern. Das wäre mit einer Pipeline aus Turkmenistan durch das Kaspische Meer bis nach Aserbaidschan und dann weiter durch die Staaten des Südkaukasus in die Türkei durchaus möglich.
Bescheidene Erfolge
Der Gedanke, zwecks Minderung der Abhängigkeit von Russland turkmenisches Erdgas über den Südkaukasus zu beziehen, ist nicht neu. Er spielte bereits bei den Planungen für die Pipeline "Nabucco" eine Rolle, die - entsprechend der Erdölpipeline BTC (Baku-Tbilissi-Ceyhan) - Erdgas aus dem Kaspischen Becken südlich an Russland vorbei nach Europa leiten sollte. In diesem Zusammenhang stieg die deutsche RWE AG im Jahr 2009 in die Erkundung von Erdgasfeldern in Turkmenistan ein.[1] "Nabucco" scheiterte jedoch - unter anderem, weil es nicht gelang, von den Anrainern des Kaspischen Meers, darunter Russland und Iran, die notwendige Genehmigung zum Bau einer Unterwasserpipeline aus Turkmenistan nach Aserbaidschan zu erhalten.[2] Zuletzt drohten RWE bzw. die ehemalige RWE-Tochter DEA damit, sich vollständig aus Turkmenistan zurückzuziehen, weil die gewünschten Lizenzen zur Erdgasförderung, die der Erkundung folgen sollten, auf sich warten ließen. Die Erfolge der deutschen Bemühungen, Zugriff auf turkmenisches Erdgas zu erhalten, blieben bislang also bescheiden.
Das Great Game
Dies lässt sich übrigens auch von der deutschen Einflussarbeit in Zentralasien insgesamt sagen. "Vor fünfzehn Jahren", bilanzierte kürzlich eine führende deutsche Tageszeitung, sei der damalige Außenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) "in einer Mischung aus spätjugendlicher Abenteuerlust und strategischer Ambition" nach Zentralasien gereist, "um Europa ins neue 'great game', in die Wiederauflage des Spiels der Großmächte um Einflusszonen zu bringen". Vor zehn Jahren habe Außenminister Frank-Walter Steinmeier dann eine neue "Zentralasien-Strategie verkündet", um die "wirtschaftliche Verflechtung" zwischen Deutschland und der Region voranzutreiben. Der Erfolg sei allerdings ausgeblieben: "Aus der Zentralasien-Strategie ist nichts geworden".[3] In der Tat hat Berlin in Zentralasien kaum Fortschritte erzielt, während Russlands Einfluss stark geblieben und derjenige Chinas rapide gestiegen ist.
Gute Nachrichten
Umso verlockender erscheint Berlin die Chance, Turkmenistans aktuelle Suche nach einem Ausgleich für den russischen und vor allem für den weiter erstarkenden chinesischen Einfluss zu nutzen, um die eigene Stellung zu stärken und doch noch Zugriff auf turkmenisches Erdgas zu bekommen. Die gestrigen Verhandlungen mit Staatspräsident Berdimuhamedow in Berlin wurden von Gesprächen mit deutschen Konzernen flankiert. Seit Jahren werden regelmäßig gemeinsame Wirtschaftsforen abgehalten; das jüngste fand im Februar 2016 unter Mitwirkung der Commerzbank und des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft statt. Bisher sind die deutschen Investitionen in Turkmenistan allerdings noch überschaubar; auch kommen nur 2,6 Prozent der turkmenischen Importe aus der Bundesrepublik. Beides soll sich ändern. Gestern konnte ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Land unterzeichnet werden - eine "gute Nachricht", wie Kanzlerin Merkel urteilte. Zudem hofft die deutsche Wirtschaft, aus der Manager-Fortbildung Nutzen ziehen zu können, die die bundeseigene Entwicklungsagentur GIZ im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums in Turkmenistan durchführt. Unter dem Motto "Fit for Partnership with Germany" konnten seit 2008 rund 150 turkmenische Führungskräfte fortgebildet werden.
Pipeline durch Afghanistan
Zur Förderung der bilateralen Beziehungen prüft die Bundesregierung, wie Kanzlerin Merkel gestern mitteilte, nun auch, ob im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik gemeinsame deutsch-turkmenische Projekte in Afghanistan möglich sind. Afghanistan grenzt im Südosten an Turkmenistan. Mögliche gemeinsame Projekte in dem Land sind auch deshalb interessant, weil Turkmenistan sein Erdgas, sofern keine Pipeline durch das Kaspische Meer gebaut werden kann, über Afghanistan, Pakistan und womöglich Indien bis zum Indischen Ozean transportieren will, wo es dann in Richtung Westen verschifft werden kann. Eine solche Röhre war bereits in den 1990er Jahren im Gespräch, wurde Ende der 1990er Jahre mit der damaligen Taliban-Regierung vereinbart, dann nach der Vertreibung der Taliban im Krieg 2001 eine Zeitlang weitergeplant, bis das gesamte Projekt aufgrund des neu eskalierenden Krieges eingestellt werden musste. Aktuell bemüht sich Turkmenistan wieder darum. Verbunden ist das mit Bemühungen der turkmenischen Regierung, die eskalierende Lage zumindest in den entsprechenden Teilgebieten Afghanistans unter Kontrolle zu bekommen. Die systematische Zusammenarbeit mit der deutschen Entwicklungspolitik könnte dabei helfen.
Menschenrechte
Der Ausbau der deutsch-turkmenischen Zusammenarbeit wird ungeachtet der katastrophalen sozialen Lage in Turkmenistan angestrebt. Trotz der lukrativen Erdöl- und Erdgaseinkünfte ist die Armut im Land krass und weit verbreitet; "in keiner anderen Ex-Sowjetrepublik", heißt es, "kommt von einem hohen Nationaleinkommen so wenig bei der Bevölkerung an".[4] Anlässlich des Berlin-Besuchs von Staatspräsident Berdimuhamedow schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: "Turkmenistan gehört zu den abgeschottetsten und repressivsten Ländern weltweit. Die Regierung duldet keinen Dissens, kontrolliert streng alle Medien und verbietet Menschen willkürlich, das Land zu verlassen." Dutzende Menschen seien "verschwunden", wird berichtet; die Angehörigen würden nicht selten in einer Art Kollektivstrafe verhaftet, enteignet oder wenigstens mit einem Ausreiseverbot belegt.[5] Die bedenkenlose Kooperation mit äußerst repressiven Staaten wie Turkmenistan oder auch Äthiopien [6] hindert die Bundesregierung selbstverständlich nicht daran, bei Bedarf tatsächliche oder auch angebliche Menschenrechtsverbrechen in anderen Staaten zu nutzen, um politische oder gar militärische Aggressionen zu rechtfertigen - dann, wenn deutsche Interessen politischer oder ökonomischer Art nicht Kooperation, sondern Konfrontation verlangen.
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