4. August 2016, 16:10 Uhr
Betrug am Wähler
Petra Hinz kann nur selbst entscheiden, ob und wann sie ihr Bundestagsmandat niederlegt.
(Foto: dpa)
Ihre Parteiämter will die falsche Juristin aufgeben, ihr Bundestagsmandat hat Hinz allerdings noch nicht niedergelegt. Das muss sie auch nicht - und dafür gibt es gute Gründe.
Analyse von Thorsten Denkler, Berlin
Petra Hinz ist erst mal abgetaucht. Die Bundestagsabgeordnete der SPD hat ihren Lebenslauf gefälscht, hat sich zur Juristin gemacht, ohne je eine juristische Fakultät besucht zu haben. Vor gut drei Wochen ist sie aufgeflogen. Danach hat sie über ihren Anwalt zugesichert, ihr Mandat aufgeben zu wollen. Druck kam aus der Bundestagsfraktion und aus Hinz' Unterbezirksverband Essen, der über Parteiaustritte als Reaktion auf die Affäre klagt. In all dem Ungemach wäre Hinz' Rückzug aus dem Bundestag ein honoriger und zudem seltener Schritt gewesen.
Nur, sie ist bisher nicht zurückgetreten. In der Bundestagsverwaltung ist noch kein Schreiben zu einem Mandatsverzicht eingegangen. Eine Frist der Essener SPD, das Mandat freizugeben, hat sie am Mittwoch verstreichen lassen. Bis zu diesem Donnerstag war Petra Hinz nicht erreichbar - dann ging bei den Essener Genossen der 54-Jährigen eine E-Mail ein: Darin kündigt sie dem lokalen SPD-Chef und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty zufolge an, alle Ämter in der Partei und ihrem Ortsverein niederlegen zu wollen. Außerdem verspricht sie, sich "zu einem späteren Zeitpunkt öffentlich zu äußern".
Die Bundestagsabgeordnete hatte ihren Lebenslauf gefälscht und war aufgeflogen. Mit ihrem Rücktritt lässt sie sich Zeit - bislang hat sie sich lediglich krank gemeldet. mehr ...
Davon, ihr Bundestagsmandat niederzulegen, spricht Hinz auch in dieser Mail nicht. Sie hat sich gegenüber der Bundestagsverwaltung krankgemeldet. Ihr Büro ist verwaist. Ihre Mitarbeiter haben sie allesamt verlassen, so will es zumindest die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung erfahren haben.
Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Vielleicht will Hinz erst den Schock überwinden und nach der Sommerpause alles regeln. Vielleicht hat sie es sich auch anders überlegt und behält ihr Mandat noch bis zur Bundestagswahl 2017. Dann hätte sie nach drei Legislaturperioden ohnehin aufhören wollen.
Und wenn Hinz einfach bleibt? Dann bleibt sie eben
Noch sieht die SPD-Bundestagsfraktion keinen Anlass, Hinz aus der Fraktion auszuschließen. Sie habe ja erklärt, dass sie ihr Mandat niederlegen wolle. Dann gebe es für einen Ausschluss keine Notwendigkeit, sagte ein Sprecher. Ein Ausschluss wäre ohnehin frühestens in vier Wochen möglich, wenn die Fraktion erstmals nach der Sommerpause wieder zusammenkommt.
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Was aber tun, wenn Hinz einfach bleibt? Die Antwort ist einfach: Dann bleibt sie. Die Fraktion müsste sie zwar verlassen. Sie würde aber als fraktionslose Abgeordnete in den hintersten Reihen des Bundestages einen Einzelplatz zugewiesen bekommen. Sie würde ihr Büro behalten und noch ein Jahr länger ihre Abgeordnetendiäten bekommen.
Viele empfinden das als ungerecht. Hinz hat mit einem falschen Lebenslauf ihre Wähler betrogen. Hat eine Kompetenz vorgegaukelt, die sie - zumindest auf dem Papier - nicht hat. Das müsste doch Grund genug sein, ihr das Mandat zu entziehen. Für jeden Arbeitnehmer wäre es ein Kündigungsgrund, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber im Lebenslauf falsche Angaben macht.
Mag sein. Ein Abgeordnetenmandat aber ist eben kein normaler Job mit geregelten Arbeitszeiten und Vorgesetzen, die einem sagen, was zu tun und zu lassen ist. Das Mandat ist vom Grundgesetz besonders geschützt. Wer es durch Wahl erwirbt, der behält es mindestens bis zur nächsten Wahl. Das ist keine neue Erfahrung.
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