Seit knapp drei Jahren ist Thomas Bach Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Seit knapp drei Jahren stellt er, der Fechter, der Olympiasieger von 1976, der Anwalt und Multifunktionär, sich als Reformer der olympischen Bewegung dar und als Präsident der sauberen Sportler in aller Welt. Seit drei Jahren wurde die Zahl jener, die Bach die Werbung in eigener Sache nicht abnahmen, nicht kleiner – vor allem in Deutschland, seiner Heimat, dem Land, dessen Sport er lange geführt hat, dem Land mit der düsteren und in vielen Teilen nach wie vor nicht aufgearbeiteten Doping-Vergangenheit.
Autor: Christoph Becker, Sportredakteur.Folgen:
An diesem Sonntag wurde klar: Bach überzeugt nicht als Reformer. Und die Mehrheit der sauberen Sportler wird ihn nicht als ihren Anwalt sehen. Als der Tag gekommen war, an dem er hätte Haltung zeigen müssen, hat er es nicht getan. Es ist ein schwarzer Sonntag, den die Führung des IOC der Sportwelt beschert hat.
Von oben verratene Werte
Das IOC lässt zu, dass Russland an den Sommerspielen von Rio de Janeiro teilnehmen darf, obwohl die staatlichen Organe der Russischen Föderation die jüngsten Spiele, jene von Sotschi 2014, manipuliert hat, die Welt betrogen hat, den von den Olympiern stets beschworenen Geist verraten haben. Kurzum: Mag auch der Geheimdienst eines von einem früheren Agenten geführten Landes Olympia unterwandern und verraten, die Flagge dieses Landes wird gleichwohl wehen, wenn Bach und seine Funktionäre in zehn Tagen in Brasilien wieder jene Werte beschwören werden, die in Russland soeben auf Weisung von oben verraten worden sind. Und die Zahl jener wird sprunghaft gestiegen sein, die Bach und das IOC fragen: Wer soll euch das noch glauben?
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Die russische Flagge wird auch in Rio neben den olympischen Ringen wehen dürfen.
Das IOC hatte die Verantwortung für das Geschehen im Doping-Labor von Sotschi, eine Verantwortung, die bislang ignoriert wird, die in der Mitteilung vom Sonntag nicht erwähnt wird. Stattdessen werden auf die Schnelle Kriterien entworfen, nach denen russische Sportler ihre Unschuld beweisen müssen. Man kann es nicht anders sagen: Unter der Führung des olympischen Oberjuristen Bach denkt sich Olympia seine Regeln mal eben aus. Und die russischen Geheimdienstler und Sportfunktionäre können lachen.
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Derweil untersagen Bach und die IOC-Führung der Kronzeugin Julija Stepanowa, vom Kreml des Verrats geziehen, einen Start in Rio, schon weil sie „die ethischen Voraussetzungen“ für die Weihen Olympias nicht erfülle. Sie sei aber herzlich eingeladen, gemeinsam mit dem IOC die Wettkämpfe in Rio zu verfolgen. In dieser Frage also wird Bach plötzliche prinzipiell. Es ist erschütternd. Mal abgesehen davon, dass schon zahlreiche unabhängige Athleten bei diversen Spielen starteten, das IOC ihr also durchaus eine Startgenehmigung hätte geben können – wer, um Himmels Willen, soll denn künftig noch auspacken über das schmutzige Spiel? Die Absage an Julija Stepanowa ist ein weiterer Kniefall vor den Russen. Sie sind die Verräter der olympischen Idee.
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